«Wir stehen vor einer Situation, die den Kanton Bern, respektive die ganze Schweiz vor sehr grosse Herausforderungen stellt», sagte Regierungsrat Pierre Alain Schnegg an der Jahresmedienkonferenz seiner Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI). Vor einem Jahr sei vorherzusehen gewesen, dass die Corona-Krise ihren Abschluss finden werde, hingegen aber nicht, dass es ohne Unterbruch in die Ukraine-Krise übergehen werde. Anfang April 2022 wurden die letzten Massnahmen in der «Covid-19-Verordnung besondere Lage» aufgehoben. Mit dem Übergang in die normale Lage erfolgte auch die Verlagerung der Hauptverantwortung für die Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vom Bund zu den Kantonen. Die laufende Übergangsphase bis Frühjahr 2023 ist gekennzeichnet durch erhöhte Wachsamkeit und Reaktionsfähigkeit im kantonalen Umfeld. «Wir haben die Grundstrukturen der Corona-Organisation beibehalten, damit eine rasche Anpassung und Antwort auf neue Entwicklungen gewährleistet ist. Dies gilt für das Testen, das Impfen, die Überwachung und die Meldepflicht der Spitäler», sagte Fritz Nyffenegger, Vorsteher des Gesundheitsamts des Kantons.
Integration als grosse Herausforderung für das Gesundheitswesen und die Gesellschaft
Das Thema «Integration» ist ein Leitmotiv der kommenden Jahre. Zurzeit hat der Kanton Bern rund 7'500 Personen mit Schutzstatus S untergebracht und rund 6700 Personen aus dem regulären Asylwesen sind in seiner Zuständigkeit. Von den Personen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, leben bereits 4'500 in eigenen Wohnungen, rund 2'000 bei Gastfamilien und rund 1000 in Kollektivunterkünften. Manuel Michel, Vorsteher des Amts für Integration und Soziales (AIS), unterstrich an der Medienkonferenz, wie wichtig die Mithilfe der Bevölkerung bei der Unterbringung der Menschen ist und sprach den Gastfamilien und den vielen Freiwilligen einen grossen Dank aus. Gleichzeit wies er darauf hin, dass der Bund nun gefordert sei, für Personen mit Schutzstatus S eine praxistaugliche Lösung vorzuschlagen, denn es werde Personen geben, die nicht in die Ukraine zurückkehren werden.
GSI-Direktor Pierre Alain Schnegg beleuchtete verschiedene Herausforderungen der kommenden Monate und Jahre. Etwa die zusätzlichen Aufgaben für das Gesundheits- und Bildungswesen, für die Sozialdienste, die weitere Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt, die Anpassung der Infrastrukturen und der Logistik, die Steigerung der Arbeitsmarktfähigkeit und die Belastbarkeit der Bevölkerung. Es sei wichtig, diese Themen anzusprechen, sagte Schnegg, «denn nur wenn man die Dinge beim Namen nennt, kann man sie diskutieren und nach Lösungen suchen». Die Lösungsfindung müsse gemeinsam mit allen Kantonen und dem Bund erfolgen.
Auch ein anderes Schwerpunktthema der GSI befasst sich mit Integration und Inklusion. Das neue Behindertenleistungsgesetz (BLG) ermöglicht, dass künftig Leistungen an Menschen mit Behinderungen direkt ausbezahlt werden und nicht – wie bisher – die Auszahlung an die Behindertenheime erfolgt. Ziel ist eine stärkere Autonomie, Selbstverantwortung und gesellschaftliche Teilhabe der betroffenen Menschen. In der ersten Lesung hat der Grosse Rat des Kantons Bern das Gesetz mit 150 zu 0 angenommen, im Hinblick auf die zweite Lesung wird nun auch die Verordnung vorbereitet.
Die GSI unternimmt bereits heute grosse Anstrengungen, um die Integration von Leistungserbringern im Gesundheitswesen zu unterstützen. So wurde im Oktober 2022 das neue Versorgungsmodell «Réseau de l’Arc» im Berner Jura gegründet, an dem sich der Kanton Bern, die Swiss Medical Network SA und die Visana-Krankenkasse beteiligen. Durch dieses Public-Private-Partnership wird ein neues Versicherungsmodell möglich, das sich gezielt auf die Gesunderhaltung der Versicherten konzentriert. Die Zusammenarbeit aller Leistungserbringer in einer durchgängigen, integrierenden Versorgungskette auf der Basis von standardisierten Prozessen sieht Regierungsrat Pierre Alain Schnegg als einzige Lösung, die Kosten im Gesundheitswesen einzudämmen. Um die Zusammenarbeit zwischen den Amtsstellen und den Spitälern, Heimen, Therapeuten, der Spitex und den Verbänden zu kanalisieren, hat die GSI ein Accountmanagement aufgebaut.
Digitalisierung unterstützt Integration auf allen Ebenen
Mit einem neuen Fallführungssystem (NFFS) soll die Fallführung in der Sozialhilfe und dem Kindes- und Erwachsenenschutz (KESB) erleichtert werden. «Mittels Steuerungsdaten soll eine bessere Übersicht geschaffen werden und wir erwarten eine Senkung der IT-Kosten für die Gemeinden und den Kanton», hob Yves Bichsel, Generalsekretär der GSI, hervor. In den Jahren 2021 und 2022 wurden die konzeptionellen Grundlagen erarbeitet und es wurde von den Projektpartnern (Direktion für Inneres und Justiz unter der Federführung GSI) entschieden, dass NFFS nicht nur von den Sozialdiensten genutzt werden soll, sondern auch für die Fallführung bei der KESB und den Fachstellen für Arbeitsintegration.
Seit 2020 arbeiten das Amt für Bevölkerungsdienste (ABEV) und das AIS für die Verwaltung der Daten ausländischer Personen mit einem eigens entwickelten Informatiksystem (NFAM - Neue Fachapplikation im Migrationsbereich). Im Laufe des Jahres 2022 wurde auf der gleichen Basis das neue Fallführungssystem im Asyl- und Flüchtlingsbereich unter dem Namen «NFAM Partner» in einer ersten Version fertiggestellt und schrittweise bei den vier regionalen Partnern im Asyl- und Flüchtlingsbereich eingeführt. Es war ein wichtiges Projektziel, dass die zentralen Daten der regionalen Partner in Echtzeit zur Verfügung stehen.
Im Jahr 2023 sollen zudem alle Ambulanzen des Rettungswesens im Kanton Bern ihre Einsatzprotokolle elektronisch in einem «Ambulance-Pad» führen. Nebst der elektronischen Erfassung von Patientendaten durch die Rettungssanitäter und -sanitäterinnen werden auch Vitaldaten von Patientinnen oder Patienten laufend in das Protokoll übernommen und können dadurch schon vor Erreichen einer Notfallstation übermittelt werden. Ebenfalls im 2023 wird das Projekt eBewilligungen umgesetzt, wodurch die Beantragung von Berufsausübungsbewilligungen (BAB) für Arztberufe vollständig digitalisiert wird.