Der Kanton Bern will erwachsene Menschen mit einer Behinderung bei der selbstbestimmten Lebensgestaltung unterstützen und ihnen ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben teil zu haben. Diese Ziele sind im kantonalen Behindertenkonzept festgehalten und sollen nun mit dem neuen Behindertenleistungsgesetz umgesetzt werden. Es umfasst die Umstellung des behindertenbedingten Betreuungsbedarfs von der heutigen Pauschalabgeltung von Institutionen hin zur Finanzierung des individuellen Betreuungsbedarfs von Menschen mit Behinderungen.
Betreuung zu Hause und Entschädigung für Angehörige
Das neue Gesetz erweitert die Wahlmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen bei der Wohnform. Die Finanzierung von Betreuungs- und Unterstützungsleistungen auch ausserhalb von Institutionen ermöglicht das private Wohnen für einen erweiterten Personenkreis. Das Wohnen in den eigenen vier Wänden, unter Zuhilfenahme von ambulanten Assistenz- und Dienstleistungen, ist ein wichtiger Schritt der Selbstbestimmung für die Menschen mit Behinderung.
Angehörige oder das nahe Umfeld von Menschen mit Behinderungen leisten bei der Betreuung oftmals umfassende Dienste. Die Entschädigung dieser Leistungen wurde aus dem Pilotversuch «Berner Modell» in das neue Gesetz übernommen. Damit übernimmt der Kanton Bern eine Vorreiterrolle bei der Finanzierung dieser wertvollen Arbeit.
Individueller Hilfeplan (IHP) als Abklärungsinstrument
Zur Ermittlung des gesamten behinderungsbedingten Betreuungsbedarfs wird neu die Abklärungsmethode des «individuellen Hilfeplans» (IHP) zum Einsatz kommen. Der IHP wird seit über zehn Jahren in verschiedenen deutschen Bundesländern und Kantonen der Schweiz erfolgreich eingesetzt. Er ermittelt den Betreuungsbedarf unter Berücksichtigung der medizinischen Diagnosen sowie der funktionalen Beschreibungen und beurteilt den Menschen mit Behinderung in der Wechselwirkung zu seiner Umwelt. IHP erhebt dialogisch den Unterstützungsbedarf eines Menschen mit Behinderung und zwar als handelndes, selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft. Mit dem Einsatz des IHP können innerhalb der Kantone Synergien bei der Entwicklung und Anwendung des Abklärungsinstrumentes gewonnen werden. Die Resultate der Abklärungen sind vergleichbarer und erlauben sowohl Vergleiche untereinander wie auch mit anderen Nutzern über die Landesgrenzen hinaus.
Gesetz soll ab dem 1. Januar 2023 gelten
Die heute eröffnete Vernehmlassung erlaubt es der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI), den Fahrplan zur Umsetzung des kantonalen Behindertenkonzepts einzuhalten. Die GSI geht aktuell davon aus, dass das Gesetz wie vorgesehen per 1. Januar 2023 in Kraft tritt. Die gesetzlichen Grundlagen und insbesondere die Parameter des neuen Gesetzes wurden mit den zentralen Akteuren im Rahmen der eigens dafür eingesetzten Begleitgruppe sowie bilateral ausführlich diskutiert.
Mit der vorliegenden Ausgestaltung kann die Kostenneutralität nicht vollumfänglich eingehalten werden. Auf Basis des heutigen und des zu erwartenden Leistungsumfangs ist künftig insgesamt (ohne Infrastrukturpauschale) mit einer Kostenausweitung im Bereich von etwa 20 Millionen Franken zu rechnen.
Vorerst unverändert bleibt die Finanzierung von Werkstätten. Diese werden nach wie vor über Leistungsverträge zwischen dem Kanton und der Institution finanziert. Jedoch wird auch in diesem Bereich die Infrastrukturpauschale eingeführt.
Die Vernehmlassung dauert bis am 23. Oktober 2020.