Zurzeit sind 6600 Geflüchtete aus der Ukraine im Kanton Bern gemeldet. Davon ist die Mehrheit privat untergebracht (4676 Personen). In einer Kollektivunterkunft wohnen derzeit 1220 Menschen aus der Ukraine. Der Zustrom von Geflüchteten in die Schweiz hat etwas nachgelassen. Da der Kanton Bern anfänglich fast 20 Prozent mehr Personen aufgenommen hat als nach dem interkantonalen Verteilschlüssel nötig, findet nun ein Ausgleich statt. «Ohne die grosse Unterstützung der Gastfamilien wäre es nicht gelungen, die Geflüchteten so gut unterzubringen», betont Pierre Alain Schnegg, Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektor, und dankt der bernischen Bevölkerung. «Auch wenn einige Gastfamilien bis jetzt noch keine Geflüchteten aus der Ukraine aufnehmen konnten, ist es wichtig, die Angebote weiterhin zur Verfügung zu haben, da die Lageentwicklung unvorhersehbar bleibt», ergänzt Pierre Alain Schnegg.
Arbeitssituation der Menschen aus der Ukraine
Geflüchtete aus der Ukraine können mit dem Schutzausweis S in der Schweiz arbeiten. «Im Kanton Bern stehen die Angebote der regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) den Stellensuchenden aus der Ukraine offen, wenn sie arbeitsmarktfähig sind», sagt Wirtschaftsdirektor Christoph Ammann. «Arbeitsmarktfähig heisst beispielsweise über die nötigen Sprachkenntnisse zu verfügen.» Bei den RAV haben sich bisher 138 Personen angemeldet, 8 Personen konnte eine Stelle vermittelt werden. Alle Personen, die arbeiten, benötigen eine Bewilligung des Amts für Wirtschaft des Kantons Bern (AWI). Das betrifft auch jene, die unkompliziert über ihr Umfeld eine Beschäftigung finden. Bisher hat das AWI 204 Bewilligungen ausgestellt. Die meisten Stellensuchenden haben eine Beschäftigung in saisonal ausgerichteten Bereichen wie Landwirtschaft oder Gastronomie gefunden. «Ein Grund dafür könnte die Unsicherheit sein, wie es nach einem Jahr Schutzstatus S weitergehen wird», so Ammann. Die Unsicherheit halte Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber vermutlich davon ab, in die Aus- und Weiterbildung der Flüchtlinge zu investieren.
In der Schule ein Stück Normalität zurückgewinnen
Bis jetzt sind rund 1700 ukrainische Kinder und Jugendliche an den Schulen im Kanton Bern integriert worden. Die neu geschaffenen 63 Willkommensklassen und 33 Intensivkurse Deutsch als Zweitsprache (DaZ) ermöglichen ihnen, nach der Flucht ein Stück Normalität zurückzugewinnen und ihre Bildung fortzusetzen.
Um die Lehrpersonen zu entlasten, hat die PH Bern einen regelmässig stattfindenden Online-Kurs Deutsch als Fremdsprache für ukrainische Kinder und Jugendliche in Regelklassen eingeführt. Für Lehrpersonen, die aktuell ukrainische Kinder in Deutsch unterrichten und über keine DaZ-Ausbildung verfügen, wird neu eine kurze Einführung mit wichtigen Grundlagen angeboten. Zusätzlich bietet die PH Bern ein Online-Angebot an, um ukrainische Jugendliche bei ihrer Arbeit mit den ukrainischen Lernplattformen zu unterstützen. Die Kosten für die Angebote übernimmt der Kanton Bern.
Der Aufruf an die bernische Bevölkerung, sich online für die Unterstützung an den Schulen zu melden, war erfolgreich: Über 1000 Personen haben sich innert einem Monat gemeldet. Eine grosse Solidaritätsaktion führt diese Woche der Verband bernischer Musikschulen durch. Möglichst viele Musikschulen organisieren Benefizkonzerte. Mit dem gesammelten Geld soll ukrainischen Kindern der Zugang zu Musikinstrumenten und Musikunterricht ermöglicht werden.
An den Schulen der Sekundarstufe II sind aktuell 140 Schülerinnen und Schüler einem Brückenangebot zugewiesen und 55 einer Mittelschule. Es werden dazu 12 Brückenangebotsklassen geführt. An den Mittelschulen werden die Schülerinnen und Schüler in bestehende Klassen integriert.
KESB unterstützt Kinder und Jugendliche ohne Eltern
Im Kanton Bern leben auch minderjährige Geflüchtete aus der Ukraine, die sich nicht in Begleitung ihrer leiblichen Eltern hier aufhalten. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) hat Kenntnis von 205 solchen Minderjährigen. Sie sind auf besondere Unterstützung angewiesen. Die KESB wird hier tätig:
- Bei Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine, die ohne ihre leiblichen Eltern im Kanton Bern sind, klärt die KESB deren Situation umfassend ab.
- Die KESB versucht, die Kontakte der Kinder zu verbliebenen Familienmitgliedern im Herkunftsland aufrechtzuerhalten. Sobald es die Zustände in der Ukraine zulassen, sollen auch diese Kinder und Jugendlichen wieder in ihr Heimatland zurückkehren können.
- Für Kinder und Jugendliche sollen adäquate, dem einzelnen Bedürfnis gerecht werdende Unterkunftsformen gefunden werden. Familien, die Kinder und Jugendliche aus der Ukraine ohne mitgereisten Elternteil aufnehmen, benötigen eine Pflegeplatzbewilligung.
- Kinder und Jugendliche aus der Ukraine, die sich ohne ihre leiblichen Eltern im Kanton Bern aufhalten, müssen rechtlich vertreten werden. Hier prüft die KESB neben Beistandschaften auch Vertretungsformen durch mitgereiste Betreuungspersonen (ukrainische Heimleitungen oder weitere mitgereiste Erwachsene).
Weitere Unterbringungsplätze werden geschaffen
Der Kanton Bern rechnet weiterhin mit einem Anstieg der Zahlen an Geflüchteten und bereitet sich darauf vor, bis Ende Jahr zwischen 10 000 bis 20 000 Personen aufzunehmen. Die Arbeiten für die temporäre Unterkunft Viererfeld in der Stadt Bern gehen zügig voran. Die Bauarbeiten werden in den nächsten Wochen abgeschlossen, anschliessend werden die mobilen Wohneinheiten schrittweise bezugsbereit gemacht. In der Temporären Unterkunft Viererfeld (TUV) sollen bis zu 1 000 Personen wohnen können. Die Kosten für den Bau wurden auf rund 10 Millionen Franken veranschlagt, wobei ein Teil der Investitionen nach einem Rückbau wieder zurückfliesst. Die Betriebskosten können momentan noch nicht abgeschätzt werden, da diese in direktem Zusammenhang mit der Belegung und der Dauer der Verfügbarkeit stehen.
Hotline für Gastfamilien und Schutzsuchende
Der Kanton hat für Gastfamilien und Schutzsuchende eine Hotline eingerichtet, die an Wochentagen von 08:00 – 17:00 bedient wird. Tel. 031 636 98 80, E-Mail: ukraine.gsi@be.ch.