Das 1721 von Hieroymus von Erlach erbaute Schloss Hindelbank gilt als eines der prächtigsten Barockbauwerke im Kanton Bern. 1866 kaufte es der Kanton Bern und nutzte es vorerst als Armenverpflegungsanstalt. Seit 125 Jahren betreibt er darin eine Anstalt für Frauen – zunächst als Arbeits- und dann als Strafanstalt. Aus Anlass dieser Jubiläen hat der Verein «Projekt Hindelbank» im Schloss eine Ausstellung konzipiert und eingerichtet, die von 16. Oktober bis 27. November 2021 besucht werden kann. Zugleich erscheint ein Buch, das die Architektur- und Anstaltsgeschichte aufarbeitet, darunter auch das dunkle Kapitel der administrativen Versorgung. Der heutige Strafvollzug und das Leben und Arbeiten «Drinnen» wird durch Reportagen und Porträts aus dem Alltag von Mitarbeitenden und eingewiesenen Frauen erfahrbar. Die Texte und Bilder ermöglichen einen Einblick hinter die Kulissen einer vielfältigen Realität, die der Öffentlichkeit meist verborgen bleibt. Die aktuellen Bilder stammen von der Berner Fotografin Yoshiko Kusano.
Erlebbare Entwicklung der Schloss- und Anstaltsgeschichte
Die Ausstellung ermöglicht für kurze Zeit den Zutritt zum sonst nicht öffentlich zugänglichen Schloss und Verwaltungsgebäude der JVA und macht die Geschichte von Schloss und Anstalt erlebbar. Sie umfasst die vier Themenbereiche «Architektur und Herrschaft», «Armenpolitik im 19. Jahrhundert», «Strafvollzug» und «Administrative Versorgung». Mit Modellen, Plänen, Dokumenten, Videos, Fotografien, an Hörstationen und mit 3D-Brillen werden das Leben im Schloss und die Entwicklung zur heutigen Justizvollzugsanstalt vermittelt.
Wissenschaftliche Beiträge und Reportagen
Wie die Ausstellung behandelt auch das Buch «Hindelbank. Das Schloss. Die Anstalt. Das Dorf – 1721 bis heute» die verschiedenen Aspekte der Schloss- und Anstaltsgeschichte. Darin enthalten sind die Resultate eines Forschungsseminars des Zentrums für Genderforschung der Universität Bern, Texte zur Besitzer-, Bau- und Restaurierungsgeschichte des Schlosses und zur Beziehung von Dorf und Anstalt sowie Text- und Bildreportagen zum Leben und Arbeiten in der JVA Hindelbank heute. Je ein Vorwort haben Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), und Regierungsrat Philippe Müller beigesteuert. Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Sicherheitsdirektor Philippe Müller werden überdies zusammen mit der Zürcher Regierungsratspräsidentin Jacqueline Fehr mit Grussbotschaften und Ansprachen am offiziellen Festakt vom 5. November 2021 in Hindelbank teilnehmen.
Schlossmärit am letzten Ausstellungswochende
Die Ausstellung dauert bis zum 27. November 2021. Der Eintritt ist frei. Am Wochenende des 26. und 27. Novembers 2021 findet im Innenhof des Schlosses zudem der traditionelle Schlossmärit statt. Der Zutritt ist nur mit COVID-Zertifikat möglich.
Zu erreichen ist das Schloss Hindelbank mit dem Postauto (Kurs Hindelbank – Bolligen). Während des Schlossmärits fährt zusätzlich ein Shuttlebus ab Bahnhof Hindelbank. Bei der JVA selbst gibt es nur ein sehr beschränktes Angebot an Parkplätzen. Der Betrieb der Justizvollzugsanstalt kann nicht besichtigt werden.
Angaben zu Ausstellung und Publikation
Öffnungszeiten vom 16.10. bis 27.11.2021:
Mittwoch-Freitag 13.30-17.30 Uhr
Samstag /Sonntag 10.00-17.00 Uhr
Montag / Dienstag geschlossen
Der Eintritt ist gratis. Es gibt eine Cafeteria.
Menschen mit Beeinträchtigungen werden beim Besuch der Ausstellung unterstützt (Anmeldung hierfür zwei Tage im Voraus: Tel. 079 523 50 18).
Öffentliche Führungen gibt es vom 17. Oktober bis 21. November jeden Samstag und Sonntag um 11 Uhr. Sie dauern ca. eine Stunde. Man muss sich nicht anmelden. Daten: www.ausstellung-hindelbank.ch
Spezialführungen und Vermittlungsanlässe für Schulen nach Vereinbarung. Gruppen, Vereine, Familien können sich anmelden. Terminwünsche werden nach Möglichkeit berücksichtigt (Tel. 079 317 44 241.)
Offizieller Festakt am 5. November 2021 mit Teilnahme von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Vorsteherin Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Regierungsratspräsidentin Jacqueline Fehr, Direktorin der Justiz und des Inneren Kanton Zürich und Präsidentin des Ostschweizerischen Strafvollzugskonkordates und Philippe Müller, Sicherheitsdirektor Kanton Bern und Vizepräsident des Strafvollzugskonkordates Nordwest- und Innerschweiz.
Zur Ausstellung erscheint das Buch «Hindelbank. Das Schloss. Die Anstalt. Das Dorf - 1721 bis heute».
304 Seiten, 200 Abbildungen
Sinwel Verlag Bern
ISBN 978-3-85911-900-0
Das Buch kostet Fr. 48.- im Buchhandel,
Fr. 40.- in der Ausstellung.
Der Bau des Schlosses Hindelbank dauert von 1721-25. Es ist für fünf Generationen bedeutender Herrschaftssitz der Berner Patrizierfamilie von Erlach. In den 1850er-Jahren nimmt Maria Anna von Erlach-von Muralt in der Ross-Scheune «des pauvres enfants vagabonds» auf und führt während einiger Jahre eine private Armenanstalt.
1866 übernimmt der Kanton Bern das Schloss und betreibt darin während drei Jahrzenten eine staatliche Armen- und Verpflegungsanstalt für Frauen. 1895/96 wird die Institution in eine «Weiberarbeitsanstalt» umgewandelt und organisatorisch der damaligen Polizeidirektion unterstellt. Vorgesehen ist sie für Frauen, die auf der Grundlage des bernischen Arbeitsanstaltengesetz von 1884 administrativ interniert werden.
1911 verlegt der Regierungsrat das «Weiberhaus» der Strafanstalt St. Johannsen nach Hindelbank. Fortan befinden sich Zwangsarbeits- und Strafanstalt unter einem Dach. Die anfänglich als Provisorium gedachte Zusammenlegung wird zu einer Dauerlösung und endet erst, als in den frühen 1980er-Jahren die Praxis der administrativen Versorgung durch den fürsorgerischen Freiheitsentzug ersetzt wird.
In den Jahren 1959-1966 entstehen Neubauten auf dem Areal. Das Schloss wird renoviert und als Verwaltungstrakt genutzt. 1970 folgt der Bau eines Hochsicherheitstraktes. 1995-1997 werden die Zellen vergrössert, Räume für Wohngruppen entstehen, und das Direktorenhaus wird zum Besucherhaus umgebaut. Gleichzeitig wird rund um das Gelände ein Zaun errichtet.
1992 wird der Landwirtschaftsbetrieb verpachtet. Ein Leitbild wird erarbeitet und der Vollzug in Hindelbank sozialpädagogisch ausgerichtet. 1995 übernimmt mit Marianne Heimoz erstmals eine Frau die Leitung der Justizvollzugsanstalt. Auf sie folgt 2011 die amtierende Direktorin Annette Keller.
Heute bietet die JVA Hindelbank als einzige Vollzugsanstalt für Frauen in der Deutschschweiz insgesamt 107 Haftplätze im offenen und geschlossenen Straf- und Massnahmenvollzug. Rund 110 Mitarbeitende (90 Vollzeitstellen) arbeiten in den Bereichen Sozialarbeit, Arbeit und Bildung, Sicherheit, Freizeit sowie Zentrale Dienste.
(Quelle: Hindelbank. Das Schloss. Die Anstalt. Das Dorf - 1721 bis heute. Sinwel Verlag)
Mediendokumentation
- Schloss Hindelbank von Norden, 2008. © Markus Beyeler
- Blick in die Glätterei, Hindelbank, um 1928. Archiv JVA Hindelbank
- Blick in die Näherei, Hindelbank, um 1928. Archiv JVA Hindelbank
- Blick in einen der Schlafsäle, Hindelbank, um 1958. Archiv JVA Hindelbank
- Umzug der Insassinnen in die neu erstellten Gebäunde, Hindelbank, 1960. Archiv JVA Hindelbank