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30. Juni 2016
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Geschäftsprüfungskommission (GPK) zu Kies-Abbau- und Deponiewesen
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Kommission ortet Optimierungspotenzial bei der Aufgabenerfüllung des Kantons

Der Kanton kommt seiner Aufgabe, genügend Abbau- und Deponiereserven sicherzustellen, nicht umfassend nach. Zu diesem Schluss kommt die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rates gestützt auf ihre Abklärungen. Handlungsbedarf sieht die Kommission in drei Bereichen: Bei der Aufgabenteilung innerhalb des Kantons, der Wahrnehmung des Controllings und beim Einbezug der Politik. Zudem hat die GPK entschieden, die Finanzkontrolle mit einer Sonderprüfung zu beauftragen, um den durch die Preissituation im Kies-Abbau- und Deponiewesen potenziell entstandenen finanziellen Schaden für den Kanton zu ermitteln.

Im Sachplan Abbau, Deponie, Transport (ADT) legt der Kanton die vier übergeordneten Ziele fest, die im Kies-Abbau- und Deponiewesen erreicht werden sollen. Das oberste Ziel ist das Sichern von ausreichenden Abbau- und Deponiereserven, dazu kommen das Minimieren und Vermeiden von langen Transporten, der haushälterische Umgang mit natürlichen Kiesressourcen sowie die Koordination der Planungsverfahren. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Ziele ist das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion. Es prüft und genehmigt die regionalen Richtpläne ADT. Der Kanton selbst wird planerisch nur dann tätig, wenn ohne sein Eingreifen die Sicherung von Abbau- oder Deponiereserven akut gefährdet wäre. Der Planungsvollzug liegt grundsätzlich in der Kompetenz der Regionen und Gemeinden. Zudem hat das AGR die Aufgabe, die erforderlichen Daten für die Beurteilung der Zielerreichung zu erheben, auszuwerten und zu veröffentlichen. Nebst dem AGR nimmt auch das Amt für Wasser und Abfall (AWA) der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion im Bereich ADT verschiedene Aufgaben wahr.

Ausgelöst durch die Veröffentlichung von mutmasslichen Verstössen verschiedener privater Unternehmen gegen das Wettbewerbsrecht startete die GPK im Dezember 2014 eine Untersuchung, um primär Fragen zur Verantwortlichkeit des Kantons als Regulator zu klären. Die GPK setzte sich zum Ziel, zu prüfen, welche Rolle die kantonalen Behörden im Bereich ADT wahrzunehmen haben und wie sie diese ausüben. Die GPK hat dazu Unterlagen analysiert, den Regierungsrat schriftlich befragt und die Vorsteher der beiden hauptsächlich betroffenen Ämter angehört. Gestützt auf ihre Abklärungen sieht die Kommission in drei Bereichen Handlungsbedarf:

Verwaltungsinterne Aufgabenteilung überzeugt GPK nicht

Der erste Bereich betrifft die Aufgabenteilung innerhalb des Kantons. Das AGR ist im Bereich ADT Leitbehörde, verschiedene Aufgaben nimmt jedoch das AWA wahr. Letzteres ist Oberaufsichtsinstanz über Betriebe und Ablagerungsstandorte und erteilt Errichtungs- und Betriebsbewilligungen für Deponien. Daneben sind noch weitere kantonale Ämter als Fachbehörden involviert. Die Schnittstellen zwischen den hauptsächlich beteiligten Ämtern AGR und AWA sind nach Auffassung der GPK diffus. Die Arbeitsteilung über die Direktionsgrenzen hinweg führt aus Sicht der GPK dazu, dass keine Amtsstelle und damit verbunden keine Direktion für die Erreichung der Ziele die abschliessende Verantwortung übernimmt und frühzeitig und konsequent Massnahmen ergreift, wenn übergeordnete Ziele drohen, verpasst zu werden. Obwohl für die Koordination der involvierten, kantonalen Ämter eine Arbeitsgruppe existiert, erachtet die GPK die Verzettelung im Bereich ADT innerhalb des Kantons als kritisch. Der unbestritten herrschende Deponienotstand in verschiedenen Regionen ist nach Auffassung der GPK klarer Ausdruck davon, dass das Hauptziel des Sachplans ADT nicht erreicht worden ist. Die GPK erwartet darum, dass die Kompetenzen und Zuständigkeiten innerhalb der kantonalen Behörden überprüft und vereinfacht werden.

Kanton nimmt Controlling-Auftrag nicht umfassend wahr

Der zweite Bereich, in dem die GPK Handlungsbedarf sieht, betrifft das Controlling. Die Stärkung des Controllings war bei der letzten Überarbeitung des Sachplans ADT 2012 eines der wesentlichen Ziele. Der Sachplan ADT weist dem Kanton die Aufgabe zu, die relevanten Daten für die Raum- und Umweltplanung zu sammeln, auszuwerten und zu veröffentlichen sowie Erhebungen über die abgebauten und abgelagerten Materialmengen durchzuführen. Gestützt darauf hat der Kanton die Erreichung der Ziele und Vorgaben zu prüfen und periodisch dazu einen Controllingbericht zu verfassen. Dieser Aufgabe kommen das AWA und das AGR nach Auffassung der GPK zu wenig umfassend nach:

  • Datensammlung: Die vom AWA jährlich erhobenen Daten genügen nicht, um daraus periodisch Kennzahlen zu gewinnen, die als Indikatoren für die Erreichung der übergeordneten Ziele, namentlich der Sicherung der Reserven, verwendet werden können. Um sich ein verlässliches Bild darüber zu verschaffen, wie es mit den Abbau- und Deponie-Reserven in den einzelnen Regionen aussieht, musste der Kanton in den letzten fünf Jahren jeweils externe Gutachter beauftragen. Diese kamen nicht darum herum, gewisse Schlüsselzahlen anhand von Luftbildern zu schätzen bzw. eigene Erhebungen durchzuführen. Die GPK erwartet, dass der Kanton im Bereich ADT künftig über qualitativ gute, vollständige Daten verfügt. Zu klären sind dabei auch Umfang und Form der eigenen Datenerhebung sowie die Verknüpfung dieser Daten mit den Werten allfälliger externen Gutachten.
  • Datenaufbereitung: Im Controlling-Konzept heisst es, dass eines der Ziele darin besteht, den Handlungsbedarf rechtzeitig zu erkennen. Obschon die Berechnung der effektiv vorhandenen Abbau- und Deponie-Reserven von sehr vielen Faktoren beeinflusst wird, ist es nach Auffassung der GPK essenziell, die gesammelten Daten regelmässig so zu zuammenzuführen, dass entsprechende Kennzahlen generiert werden können. Erst mit aussagekräftigen Auswertungen wird es möglich sein, Vergleiche über längere Zeiträume zu machen und Entwicklungen, namentlich drohende Engpässe, frühzeitig zu erkennen. Auch hier besteht Nachholbedarf.
  • Datenveröffentlichung: Im Weiteren verlangt der Sachplan ADT auch das regelmässige Veröffentlichen von Controllingberichten. Der letzte derartige Bericht stammt aus dem Jahr 2008, der nächste Controlling-Bericht ist für 2017 vorgesehen. Die GPK erachtet einen Unterbruch von neun Jahren als deutlich zu lang. Aus Sicht der GPK ist darum sicherzustellen, dass die im Controlling-Konzept definierten Kennzahlen nicht nur regelmässig generiert werden, sondern darüber auch in einem gleichbleibenden und kürzeren Abstand öffentlich Rechenschaft abgelegt wird. Denn die Unkenntnis der Öffentlichkeit und der Politik über die konkrete Reservesituation erschwert es, den Bedarf für zusätzliche Deponien oder Abbaustandorte in der Bevölkerung glaubwürdig zu vertreten. Andere Kantone veröffentlichen zumeist jährlich aussagekräftige Kennzahlen und Statistiken.
  • Marktbeobachtung: Der Sachplan ADT weist dem Kanton die Aufgabe zu, den Markt zu beobachten und bei Verdacht auf wettbewerbsrechtliche Verstösse die eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) oder den Preisüberwacher einzuschalten. Diesen Auftrag hat der Kanton bislang nicht ausreichend wahrgenommen. Um diese Vorgabe des Sachplans zu erfüllen, muss die Zusammenarbeit zwischen dem AGR sowie dem Tiefbauamt (TBA) und dem Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG), die direkteren Zugang zu Marktinformationen haben, verstärkt werden.

Grosser Rat soll stärker einbezogen werden

Optimierungspotenzial ortet die GPK auch beim Einbezug der Politik bzw. des Grossen Rates. Die Einflussnahme des Grossen Rates beschränkt sich im Bereich ADT weitgehend auf die Behandlung des Raumplanungsberichts alle vier Jahre. Als Instrument, um die Erreichung der Ziele und die Wirksamkeit der dazu getroffenen Massnahmen zu überprüfen, ist der Raumplanungsbericht jedoch ungeeignet, weil er den Blick primär in die Zukunft richtet. Auch der Richtplan kann diese Lücke nicht füllen. Angesichts der grossen politischen Bedeutung des Bereichs ADT erachtet es die GPK als angezeigt, den Grossen Rat, der die verfassungsmässige Aufgabe hat, die Oberaufsicht über Regierung, Verwaltung und andere Träger öffentlicher Aufgaben auszuüben, in die Überprüfung der Erreichung der ADT-Ziele einzubeziehen – so wie dies im Bereich der Energiestrategie oder der Wirtschaftsstrategie der Fall ist. Die GPK empfiehlt, zu diesem Zweck den Controlling-Bericht dem Grossen Rat künftig zur Kenntnisnahme zu unterbreiten. Ein stärkerer Einbezug des Grossen Rates scheint der GPK nicht zuletzt darum sinnvoll, damit dieser der Verwaltung politische Leitplanken vorgeben kann, wie die verschiedenen, sich zunehmend gegenseitig ausschliessenden öffentlichen Interessen, z. B. das Interesse des Naturschutzes, der Archäologie, der Walderhaltung oder der wirtschaftlichen Entwicklung, bei der Planung von Abbau- und Deponiestandorten gewichtet werden sollen.

Der Regierungsrat hat in seiner Stellungnahme zuhanden der GPK den von der Kommission in den drei erwähnten Bereichen festgestellten Optimierungsbedarf anerkannt. Er hat ankündigt, den Defiziten im nächsten Controlling-Bericht genauer auf den Grund zu gehen und die Fragen bezüglich der Zuständigkeiten und Schnittstellen im Rahmen der angelaufenen Direktionsreform zu überprüfen. Die GPK wird die Umsetzung entsprechend überprüfen.

Weitere Abklärungen durch Finanzkontrolle

Nebst der Überprüfung der Verantwortlichkeit des Kantons hatte sich die GPK zum Ziel gesetzt, zu ermitteln, inwieweit der Kanton als Bauherr von der Situation im bernischen Kies-Abbau- und Deponiewesen und namentlich vom herrschenden Deponienotstand finanziell betroffen war. Diese Frage drängte sich auf, da der Deponiemangel zumindest in einem bekannten Fall zu Mehrkosten für den Kanton geführt hatte. Für die Umfahrung Saanen hatte der Grosse Rat im September 2009 unter anderem auch wegen höherer Deponiekosten, einen Zusatzkredit genehmigen müssen. In einem zweiten Projekt, der Umfahrung Emdthal, konnten gemäss Regierungsrat Mehrkosten trotz Schwierigkeiten bei der Deponiesuche verhindert werden. Weitere, vergleichbare Fälle seien dem Regierungsrat, wie er der GPK schriftlich mitteilte, nicht bekannt. Die GPK ist im Verlauf der Untersuchung zum Schluss gekommen, dass es mit ihren Möglichkeiten schwierig ist, sich einen Überblick über die Preissituation im bernischen Kies-Abbau- und Deponiewesen zu verschaffen und gestützt darauf den potenziellen finanziellen Schaden für den Kanton zu berechnen. Die Kommission hat darum an ihrer Juni-Sitzung entschieden, die Finanzkontrolle mit einer Sonderprüfung zu diesen Aspekten zu beauftragen. Als nächsten Schritt wird die GPK den genauen Umfang und Inhalt dieser Prüfung festlegen.

Überprüfung erfolgte unabhängig von Weko-Verfahren

Die GPK hat sich entschieden, ihre Abklärungen unabhängig vom Ausgang der Untersuchung der Wettbewerbskommission (Weko) durchzuführen. Während die Weko das Handeln der involvierten Unternehmen untersucht, konzentrierte sich die GPK ganz auf die Rolle des Kantons. Allerdings ist nicht völlig auszuschliessen, dass die Weko-Untersuchung Rückschlüsse zu den beiden von der GPK untersuchten Schwerpunkten erlaubt. In diesem Fall erwartet die GPK, dass die zuständigen Ämter Konsequenzen aus den Ergebnissen der Weko-Untersuchung ziehen.

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