Der Kanton Bern soll ein attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort bleiben. Ein zentrales Instrument, dieses Ziel zu erreichen, ist die Steuerstrategie des Regierungsrats. Mit gezielten Massnahmen im Bereich der Unternehmenssteuern soll erreicht werden, dass die heute im Kanton ansässigen Firmen auch in Zukunft attraktive Bedingungen vorfinden und nicht aus steuerlichen Gründen eine Standortverlegung in Betracht ziehen. Die neue Steuerstrategie soll zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern, um so den Kanton Bern als Standort zu stärken.
Die Finanzdirektion hatte für die Erarbeitung von wissenschaftlichen Grundlagen für die erstmalige Erarbeitung einer Steuerstrategie Anfang 2014 ein externes, vierköpfiges Expertenteam unter der Leitung von Prof. Dr. Urs Müller, Basel, eingesetzt. Die Experten wurden beauftragt, für den Kanton Bern den Zusammenhang zwischen der Steuerbelastung und dem Steuerertrag zu analysieren. Es sollte ermittelt werden, ob mittels gezielten Steuersenkungen bei den natürlichen Personen zusätzliche Steuereinnahmen generiert werden können. Eine derartige, vertiefte Analyse ist bisher schweizweit einzigartig. Die Experten haben dem Regierungsrat im Januar 2015 aufgezeigt, dass Steuersenkungen bei den natürlichen Personen zu beinahe gleich hohen Einnahmeausfällen führen.
Bei den juristischen Personen hat der Regierungsrat die Steuerstrategie des Kantons auf die Ergebnisse der Bundesvernehmlassung zur Unternehmenssteuerreform III (USR III) abgestimmt und Ende Januar 2015 seine Haltung zur USR III verabschiedet. Aufgrund der USR III wird die Unternehmenssteuerbelastung im interkantonalen Steuerwettbewerb weiter unter Druck geraten. Der Bundesrat sieht Senkungen der Gewinnsteuern in seiner Botschaft zur USR III als wichtigen Bestandteil dieser Reformvorlage vor. Zahlreiche Kantone haben in den letzten Monaten auch bereits entsprechende Massnahmen angekündigt. Weiter drängen sich für den Regierungsrat bei den natürlichen Personen Massnahmen für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Kanton Bern interkantonal durchgehend schlecht positioniert
Die Einkommenssteuern der natürlichen Personen sind mit einem Anteil von 68 Prozent an den gesamten Steuereinnahmen des Kantons Bern die ertragsreichste Steuerart, gefolgt von den Gewinnsteuern der juristischen Personen mit 10 Prozent. Bei diesen finanzpolitisch bedeutsamen Steuerarten weist der Kanton Bern in Bezug auf die Steuerbelastung im interkantonalen Vergleich eine sehr hohe Belastung auf. Bei den Gewinnsteuern der Unternehmen wiesen im Jahr 2015 nur gerade zwei Kantone höhere effektive Gewinnsteuersätze aus. Bei den Einkommenssteuern zeigen sich je nach verglichenen Haushaltstypen und Einkommensklassen ebenfalls Rangierungen im hinteren Drittel der Kantone.
Geplante Massnahmen und Gegenfinanzierung
Vor diesem Hintergrund sieht der Regierungsrat den grössten Handlungsbedarf bei den Unternehmenssteuern sowie bei Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Er sieht deshalb im Bericht zur Steuerstrategie folgende drei Massnahmen vor:
Bei den juristischen Personen:
- Die zeitlich gestaffelte Senkung des maximalen Gewinnsteuertarifs über die Jahre 2018 bis 2021
- Die Senkung des ordentlichen Kapitalsteuertarifs ab 2018
Bei den natürliche Personen:
- Die Erhöhung des maximalen Abzugs für die Drittbetreuungskosten ab 2018 von heute 3‘100 (bzw. ab 1.1.2016 8‘000) auf neu 10‘100 Franken
Beim Gewinnsteuertarif präsentiert der Regierungsrat für das Vernehmlassungsverfahren zwei Varianten, bei welchen der maximale Gewinnsteuersatz von heute 21,6 Prozent auf 16,37 bzw. 17,96 Prozent gesenkt werden soll. Bei der Kapitalsteuer ist eine Reduktion des Tarifs von heute 0,3 auf neu 0,1 Promille vorgesehen. Je nach gewählter Variante bei den Gewinnsteuern resultieren aus der Steuerstrategie ab 2018 jährliche, ansteigende Mindereinnahmen, welche nach der vollständigen Umsetzung im Jahr 2021 bei rund 160 bis 220 Millionen Franken (Kanton) bzw. rund 80 bis 110 Millionen Franken (Gemeinden) liegen. Diese Mindereinnahmen sollen unter anderem mit den vorgesehenen Ausgleichszahlungen des Bundes aus der USR III (47 Millionen Franken Kanton, 23 Millionen Franken Gemeinden) gegenfinanziert werden. Weiter schlägt der Regierungsrat vor, die Motorfahrzeugsteuern auf das schweizerische Mittel anzuheben, was beim Kanton einen Finanzierungsbeitrag an die Steuerstrategie von rund 40 Millionen Franken leisten kann.
Allgemeine Neubewertung der nicht-landwirtschaftlichen Grundstücke und Wasserkräfte
Der Regierungsrat hat im September 2015 seinen Antrag an den Grossen Rat bezüglich einer allgemeinen Neubewertung der nicht-landwirtschaftlichen Grundstücke und Wasserkräfte per 31. Dezember 2019 verabschiedet. Aus dieser allgemeinen Neubewertung würden ab dem Steuerjahr 2020 voraussichtlich zusätzliche Vermögenssteuern von jährlich rund 32 Millionen Franken (Kanton) bzw. 17 Millionen Franken (Gemeinden) resultieren. Die Gemeinden könnten ausserdem voraussichtlich mit zusätzlichen Liegenschaftssteuern von rund 60 Millionen Franken rechnen, weshalb sie von der allgemeinen Neubewertung 2019 deutlich mehr profitieren.
Die allgemeine Neubewertung 2019 ist unabhängig von der Steuerstrategie umzusetzen. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind gegeben, da sich seit der letzten allgemeinen Neubewertung per 1. Januar 1999 die Verkehrs- oder Ertragswerte der Grundstücke im ganzen Kanton erheblich verändert haben. Der Regierungsrat hatte eine allgemeine Neubewertung 2019 bereits im Rahmen der Angebots- und Strukturüberprüfung (ASP 2014) in Aussicht gestellt. Die Grundlagen für die Neubewertung wurden deshalb von der Steuerverwaltung in den letzten Monaten unabhängig von den Arbeiten zur Steuerstrategie zuhanden des Regierungsrates und des Grosse Rates erarbeitet. Die Behandlung der Vorlage zur Neubewertung im Grossen Rat ist für die Januar- oder Märzsession 2016 vorgesehen (siehe separate Medienmitteilung zur allgemeinen Neubewertung vom 17.9.2015).
Finanzpolitische Einordnung
Aus finanzpolitischer Sicht sind die Nettobelastungen aus der Steuerstrategie in den Jahren 2018 und 2019 aus heutiger Sicht verkraftbar. In den Jahren 2020 und 2021 steigt die Nettobelastung aber stark an. Die Gegenfinanzierungsmassnahmen (Ausgleichszahlungen aus der USR III und Anpassungen der Motorfahrzeugsteuer) und die Mehreinnahmen aus der allgemeinen Neubewertung 2019 reichen aus heutiger Sicht nicht aus, um die Einnahmeausfälle vollumfänglich zu kompensieren, auch wenn sich die finanzpolitischen Perspektiven des Kantons Bern in den vergangenen zwei Jahren deutlich verbessert haben. Denn die verbesserte Ausgangslage darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die finanzpolitischen Aussichten für den Kanton Bern mittelfristig mit erheblichen Herausforderungen verbunden sind.
Die Steuerstrategie muss so finanziert sein, dass es dem Kanton weiterhin möglich ist, ein gutes Angebot an staatlichen Leistungen zugunsten der bernischen Bevölkerung anzubieten und die Schulden nachhaltig zu finanzieren. Weiter soll der Kanton auf angemessenem Niveau investieren und damit einen Beitrag an die bernische Volkswirtschaft leisten können. Zudem will der Kanton auch in Zukunft konkurrenzfähige Anstellungsbedingungen bieten.
Der Regierungsrat ist bereit, das aus seiner Sicht kalkulierbare und finanziell begrenzte finanzpolitische Risiko der längerfristig auf Kantonsebene bislang nicht vollumfänglich gegenfinanzierten Steuerstrategie einzugehen. Er tut dies nach einer sorgfältigen Abwägung der finanz- und steuerpolitischen Argumente für oder gegen die Umsetzung der einzelnen Massnahmen. Für ihn ist die Senkung des Gewinnsteuertarifs als Hauptmassnahme der Steuerstrategie unabdingbar, um die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Kanton Bern längerfristig zu sichern.
Umfassende Entlastungen bei den natürlichen Personen nicht möglich
Die Expertenstudie, welche den Zusammenhang zwischen der Steuerbelastung und dem Steuerertrag bei den natürlichen Personen untersuchte, hat ergeben, dass Steuersenkungen zu beinahe gleich hohen Einnahmeausfällen führen. Gleichzeitig sind die finanziellen Mittel des Kantons Bern nach wie vor beschränkt. Steuerliche Entlastungsmassnahmen bei den natürlichen Personen sind folglich nur mit einer entsprechenden einnahmeseitigen Gegenfinanzierung und/oder mit Ausgabensenkungen und damit verbunden mit einem weiteren staatlichen Leistungsabbau möglich. Aufgrund der finanziellen Bedeutung der Steuern der natürlichen Personen zeigt sich, dass erhebliche Entlastungen in diesem Bereich – anders als bei den Unternehmenssteuern – im aktuellen finanzpolitischen Umfeld des Kantons Bern zu nicht verkraftbaren Einnahmeausfällen führten.
Ausserdem wurden seit der Totalrevision des Steuergesetzes im Jahr 2001 bei den natürlichen Personen bereits echte Entlastungen (ohne Ausgleich der kalten Progression) im Umfang von rund 235 Millionen Franken (wiederkehrend) umgesetzt. Der Hauptteil entfiel auf gezielte Entlastungen für Familien und den Mittelstand. Dazu kamen deutliche Entlastungen bei den Motorfahrzeugsteuern und bei der Handänderungssteuer.
Umsetzung mittels Steuergesetzrevision 2018 und baldige Aktualisierung
Die laufende Teilrevision 2016 des Steuergesetzes ist von den Diskussionen um die Steuerstrategie nicht betroffen. Die Massnahmen gemäss Steuerstrategie sollen allesamt mittels einer nachfolgenden Steuergesetzrevision per 1. Januar 2018 umgesetzt werden. Falls auf Bundesebene die USR III bis dahin umgesetzt ist, werden die diesbezüglichen Anpassungen mit derselben Steuergesetzrevision für den Kanton Bern vorgenommen. Eine Aktualisierung der Steuerstrategie ist auf die Jahre 2021/2022 geplant. Vor dem Hintergrund der heute noch unsicheren finanzpolitischen Entwicklung soll zu jener Zeit insbesondere geprüft werden, ob auch die natürlichen Personen entlastet werden können.
Mediendokumentation
Vernehmlassungsunterlagen
*Betreffend Beilage 1: Kurt Schmidheiny, Marius Brülhart, Urs Müller und Marcus Roller: Technischer Anhang (PDF, 139 Seiten, Bezug unter info.fin@fin.be.ch)