Der Regierungsrat hatte im Juni 2021 entschieden, unter Beizug externer Fachpersonen ein Evaluationsprojekt über die Dauer der Corona-Krise zu lancieren (Februar 2020 bis Anfang 2022). Mandatiert wurde das Büro «Interface Politikstudien Forschung Beratung», welches Erfahrungen aus verschiedenen Projekten im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise auf Bundesebene sowie auf kantonaler Ebene mitbringt.
Der Schwerpunkt des Evaluationsauftrags lag in der Aufarbeitung des internen Krisenmanagements des Kantons Bern. Spezifisch im Fokus waren die Krisenvorsorge, das Management in der Krise (mit Schwerpunkt Zusammenarbeit Gemeinden) und die Sicherstellung des Verwaltungsbetriebs. Der Regierungsrat hat den nun vorliegenden Bericht «Evaluation des Krisenmanagements des Kantons Bern während der Covid-19-Pandemie» genehmigt und beantragt dem Grossen Rat, vom Bericht Kenntnis zu nehmen.
Fazit: Gut vorbereitet, zweckmässig und wirkungsvoll
Im Bericht zieht Interface das Fazit, das Krisenmanagement im Kanton Bern sei von einzelnen Ausnahmen abgesehen gut vorbereitet, zweckmässig umgesetzt und wirkungsvoll gewesen.
Die Konzeption und die Umsetzung des Krisenmanagements im Kanton Bern waren laut Interface insgesamt zweckmässig. Hervorgehoben werden insbesondere das Kantonale Führungsorgan (KFO) als rasch funktionierende Führungsstruktur mit klaren Zuständigkeiten und Abläufen, der gemäss Beurteilung der Befragten «wichtige und nützliche» Corona-Sonderstab der Gesundheits- Sozial- und Integrationsdirektion, die direktionsübergreifende Krisenbewältigung, die sachorientierte und konstruktive Zusammenarbeit der sieben Regierungsmitglieder und insgesamt zwischen Verwaltungsstellen und Direktionen sowie die wichtige Rolle, welche dem Verband Bernischer Gemeinden (VBG) und den Regierungsstatthalterämtern eingeräumt wurde. Ebenfalls erwähnt Interface, dass es keine grösseren Reibungen in der Zusammenarbeit der Regierung mit dem Grossen Rat gab, wobei sich bewährt habe, dass die Finanzkommission in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden wurde. Auch die hohe Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden des Kantons und der weitgehend funktionierende Verwaltungsbetrieb werden positiv hervorgehoben.
Die Outputs des Krisenmanagements waren laut dem Expertenbericht insgesamt zweckmässig. Die Massnahmen des Kantons zur Eindämmung der Pandemie und zur Abfederung der Folgen wurden von den Befragten grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Trotz Abweichen von ordentlichen Verfahren in der Rechtsetzung sei es dem Kanton auch in der Krise möglich gewesen, Verordnungen in angemessener Qualität zu erlassen. Trotz kurzer Fristen gelang es dem Kanton, für die Kommunikation gegenüber der Bevölkerung die richtigen Instrumente und Kanäle zu nutzen und verständlich, ausreichend und adressatengerecht zu kommunizieren.
Zur Wirkung des Krisenmanagements hält der Bericht fest, dass der Kanton in den untersuchten Bereichen die Virusausbreitung wirkungsvoll eingrenzen konnte. Die Gesundheitsinstitutionen hätten trotz sehr hoher Belastung und knappen personellen Ressourcen die Gesundheitsversorgung in hoher Qualität im ganzen Kanton gewährleistet. Die Massnahmen des Kantons seien insgesamt rechtzeitig erfolgt und wirksam gewesen.
Die Evaluation zeigte ausserdem, dass das Krisenmanagement des Kantons Bern auch aus der Sicht der verwaltungsexternen Akteure, insbesondere der Gemeinden und der externen Akteure aus Bereichen wie Gesundheit, Wirtschaft, Kultur, Bildung, Betreuung und psychische Gesundheit junger Menschen, mehrheitlich positiv beurteilt wurde.
Regierungsrat gibt Optimierungen in Auftrag
Die Evaluation hält verschiedentlich Verbesserungsmöglichkeiten fest. Diese betrafen zum Beispiel die strukturell-organisatorische Umsetzung des Pandemieplans, die fehlende Bekanntheit des Pandemieplans bei den Verantwortlichen von Kanton und Gemeinden oder das Fehlen geeigneter Instrumente zur Darstellung der Lage und zur Priorisierung der Aufgaben. Teilweise sei die Verbindung zwischen Regierung und KFO unklar gewesen, und die Gemeinden seien zu spät eingebunden worden. Weiter seien teilweise nicht genügend personelle Ressourcen zur Verfügung gestanden.
Daraus leitete Interface sieben Empfehlungen ab:
- Durchführung von Übungen und Schulungen im Krisenmanagement intensivieren
- Rolle des Kantons als Arbeitgeber in Krisen und bei Katastrophen optimieren
- Zukünftige KFO-Einsätze und Wechsel in ordentliche Strukturen verbessern
- Lagedarstellung für unterschiedliche Krisen vorbereiten
- Verbindlichere Vorgaben zu Materialien in der Pandemie
- Strukturen für bessere interkantonale Koordination zu prüfen
- Strukturellem Personalmangel in Spitälern, in Heimen, in der psychiatrischen Versorgung und im Bildungsbereich entgegenwirken
Gestützt auf die Empfehlungen hat der Regierungsrat Optimierungsaufträge an die Direktionen erteilt. So soll etwa ein Konzept für intensivere Übungen und Schulungen im Krisenmanagement erarbeitet werden. Weiter sollen Optimierungen in der Krisenvorsorge vertieft geprüft werden, dies vorab in Bezug auf den Einsatz des KFO, den Einbezug der Gemeinden und Regierungsstatthalterämter sowie die Schnittstellen zum Regierungsrat und den ordentlichen Strukturen der Direktionen. Für eine optimierte Lagebeurteilung sollen insbesondere digitale Instrumente geprüft werden. Darüber hinaus soll auch der Pandemieplan im Lichte der Erfahrungen aus der Covid-19-Krise sowie gestützt auf die Resultate der vorliegenden externen Evaluation überarbeitet werden.
Evaluationsbericht erfüllt Auftrag des Parlaments
Mit dem nun vorliegenden Evaluationsbericht setzte der Regierungsrat gleichzeitig die als Postulat angenommene Motion 108-2021 («Welche Lehren zieht der Regierungsrat aus der Corona-Pandemie 2020/2021?») um. Diese hatte eine Evaluation der ergriffenen kantonalen Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verlangt.
Informationen zur Methodik
Interface startete mit der Evaluation Anfang 2022 und wählte für die Beantwortung der Evaluationsfragen folgendes methodisches Vorgehen: Erstens wurden ausgewählte Dokumente und Daten zum kantonalen Krisenmanagement ausgewertet; zweitens insgesamt 46 leitfadengestützte Interviews mit Schlüsselakteuren geführt.
Dabei wurden in einer ersten Phase (Januar und Februar 2022) Regierungsmitglieder sowie Mitarbeitende der Verwaltung und Vertretende von Gemeinden interviewt (30 Gespräche). In einer zweiten Phase im März 2022 folgten insgesamt 16 Gespräche mit externen Personen aus den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Wirtschaft, Kultur, Bildung und Soziales.
Ein dritter methodischer Zugang stellte in einer zweiten Phase (Ende März bis Anfang April 2022) die Durchführung von zwei Online-Befragungen dar, einmal bei ausgewählten Mitarbeitenden des Kantons und einmal bei allen Gemeindeschreiberinnen und -schreibern des Kantons Bern.